Reisebericht 2 Monate Island im Sommer 2001

Dieser Text besteht aus zwei Rundmails, die ich damals an Freunde und Verwandte geschickt hatte; deswegen spreche ich mittendrin auch mal von "gestern" u. ä.
Der "Humor" ist teilweise ziemlich peinlich, aber was soll's.. von Jens Hegler

Vom 29.06.01 bis zum 31.08.01 dauerte unser Islandurlaub. Wir haben alleine schon 6 Tage zur Anreise nach Island gebraucht. 1 Tag mit Auto, Zug und Bus zum Fährhafen Hanstholm in Dänemark und den Rest mit dem Schiff. 2,5 Tage Zwischenstopp auf den Schafsinseln (Färöer). Auf diesen Inseln ist es 300 Tage im Jahr diessch und es regnet, doch wir hatten das Glück, zumindest einen von den 60 schönen Tagen zu erwischen. An diesem Tag wurden wir von David aus Köln (auf der Fähre kennen gelernt) in seinem Land Rover auf eine Spritztour mitgenommen, wobei immer einer von uns beiden auf dem Schaltknüppel sitzen musste.. Ansonsten waren wir ziemlich faul, sind nur mal 30 km mit Schweizer Freunden (von der Fähre) geradelt.


Ihr habt sicherlich alle schon mal von der Seekrankheit gehört, aber wusstet Ihr, dass es auch eine Landkrankheit gibt? Wir nicht! Das äußert sich dann so, dass man beim Gehen anfängt zu schwanken, weil der Körper noch an den Seegang gewöhnt ist.


Am 5.7.01 10.00 Ortszeit (MEZ - 2 h) kamen wir schließlich in Seydisfjördur an der Ostküste Islands an. Die Sonne schien, es waren 21°C und kein Wind blies (aber die Frisuren waren bei weitem nicht perfekt, denn auf Luxusartikel, wie z. B. die der Kosmetik mussten wir aus Gewichtsgründen leider verzichten!). Echt typisches Islandwetter? Und jetzt hieß es, den höchsten und steilsten Pass unserer gesamten Tour zu überwinden, was für mich aufgrund einer Angina noch einmal schlimmer wurde. Aber wir haben es geschafft und die Krankheit ist auch wieder auskuriert.


Wenn Ihr wüsstet, was hier oben Wind bedeutet; ich kann ja mal versuchen, es zu erklären: man fährt einen Berg hinunter, der ca. 7% Gefälle hat und gibt sein Letztes, um eine Geschwindigkeit von wenigstens 8-9 km/h zu erreichen. Wir haben schon überlegt, ob wir nicht nachts fahren sollten, denn dann ist es windstill und dunkel wird es ja auch nicht, höchstens ein bisschen dämmrig. Frühstück gibt es bei uns sowieso nicht vor um 12, also warum nicht alles um einen halben Tag verlagern?! In den ersten 2 Wochen auf und in Island hatten wir richtig gutes Wetter: es hat nicht geregnet, der Himmel war wenig oder auch mal gar nicht bewölkt, allein der Wind hat sich gegen das aufkommende Mallorca-Feeling gesträubt, auf das wir aber gut und gerne verzichteten. Einige Tage war es dann auch richtig kalt, so um die 2°C, aber immer noch besser als Regen, der dann kam, als wir auf die Hochlandpiste Kjölur eingebogen sind. Diese Route verbindet den Norden mit dem Süden in der westlichen Hälfte der Insel. Die Straße ist ungefähr so gut wie ein schlechter Feldweg in Deutschland, doch auf unsere Fahrräder konnten wir uns verlassen.


Auf der Fähre haben wir einen Polen kennen gelernt, der auch mit dem Fahrrad unterwegs ist, aber nur 2 Wochen Zeit hat auf Island. Wir haben ihn nach 300km wieder getroffen - er ist in dieser Zeit schon ca. 1200km gefahren und hatte nur noch die 300km zurück zur Fähre vor sich. Im Durchschnitt fahren wir ca. 60km am Tag, seine kürzeste Etappe betrug 70km, seine längste 150. So unterschiedlich kann das sein. Und dann gibt es da noch Leute, die nach Hause telefonieren und erzählen, dass der 1100m-Pass heute mit 900m Höhenunterschied wirklich anstrengend war und 1 Minute später sagen sie: ja, das Auto fährt ganz gut so......
Aber wir sind selbst schuld, wenn wir freiwillig 8 Wochen mit dem Fahrrad durch Island fahren, da wir doch wissen, wie gut das Wetter und die Straßenbedingungen hier oben sind! Dafür schmecken die Nudeln auch jeden Abend besser! Wir können es kaum erwarten, wieder einen ordentlichen Döner zwischen die Kiemen zu schieben!


Inzwischen haben wir uns auch den berühmten Geysir angesehen, oder zumindest eine andere Fontäne daneben (Strokkur oder so), denn der eigentliche Geysir ist ja nicht mehr so aktiv. Das ist ganz lustig: man hat da so eine Art natürlichen Brunnens, der immer mal ein bisschen überschwappt, und dann plötzlich bildet sich eine riesige Wasserblase, die mit einem Mal zerplatzt und die ca. 20-30m hohe Fontäne freilässt. Am Ende läuft dann das ganze Wasser wieder zurück in den "Brunnen".


Am gleichen Tag hatten wir noch ein ganz lustiges Erlebnis: wir haben den Zeltplatz in einer 250-Seelen-"Stadt" anvisiert und uns gedacht, das wird eine kleine Wiese sein mit vielleicht 1-2 Zelten darauf. Aber tatsächlich war es ein riesiger Campingplatz mit unzähligen einheimischen Urlaubern und ihren Campinganhängern, die hier ihren Sommerwochenendurlaub verbringen. Am Abend wurden wir auch von isländischen Handballern eingeladen, gemeinsam mit ihnen zu "feiern". Die meisten von ihnen haben 1-2 Jahre profimäßig in Deutschland Handball gespielt und mit ihren Familien in dieser Zeit auch in Deutschland gelebt. Daher konnten einige von ihnen auch ganz gut deutsch ("ich bin ein Kugelschreiber") und alle waren ganz begeistert von unserem Land.


Unseren nächsten Ruhetag verbrachten wir im Gebiet Landmannalaugar, was wirklich eine der schönsten Ecken Islands ist. Man könnte es als "Land der bunten Berge" bezeichnen, denn diese sind mal rot, mal gelblich, dann wieder grünblau schimmernd und dazwischen erstarrte Lava. Hier fließen auch ein heißer und ein kalter Fluss zusammen, sodass sich das Wasser zu einer angenehmen Temperatur vermischt. In diesem Fluss kann man baden und je nachdem, wo man sich im Fluss befindet, ist das Wasser mal kühler und mal heißer - man kann sich also die für einen gemütlichste Stelle aussuchen und einfach nur gut abschalten (zumindest, wenn man die 25 anderen Touristen um sich rum vergisst), und das obwohl die Luft eine Temperatur von 7°C hat und es nieselt.


Auf dem Weg nach Landmannalaugar schliefen wir zum ersten und einzigen Mal in einer Hütte. Das war eine alte, verlassene Touri-Hütte; verlassen deshalb, weil daneben eine neue gebaut wurde. Die alte Hütte ist zur Hälfte zu einem Stall umfunktioniert worden, aber im restlichen, großräumigen Teil waren Betten für ca. 30 Leute und sogar noch einige alte Matratzen zu finden, sodass wir mal richtig gemütlich schlafen und am Tisch kochen konnten, ohne das Zelt aufbauen zu müssen und sogar ohne dafür bezahlen zu müssen.


Nach Landmannalaugar kamen wir zum regenreichsten Ort Islands - Vik - (4000mm Niederschlag) und es waren 20°C Spitze und kaum Wolken am Himmel an diesem Tag; wir konnten zum ersten Mal in kurzen Sachen fahren. Am Abend dieses schönen Tages haben wir - sozusagen als Krönung - in einer Höhle genächtigt, die sich ca. 20m über dem Boden befand und von der aus man einen schönen Blick auf den Atlantik mit einigen Vogelfelsen hatte (wir befanden uns an der Südküste Islands). So gegen Mitternacht, als es ein bisschen dämmrig wurde, konnten wir einen Fischfänger beobachten, der hell erleuchtet, um die Fische anzulocken, hin und her durch den Atlantik fuhr.


Gestern hatten wir vom Wetter her unseren schlechtesten Tag bis jetzt. Der Wind blies wirklich heftig von hinten oder von der Seite, es regnete und wir fuhren auf der wichtigsten Straße Islands in Richtung Hauptstadt, wir hatten also mächtig Verkehr und alle, die schon einmal bei ordentlich Wind Fahrrad gefahren sind, können sich vorstellen, wie angenehm das ist, wenn ein Lkw entgegen gefahren kommt und einem den Regen waagerecht mit 80 Sachen ins Gesicht schiebt! Aber heute ist wieder schönes Wetter, nur ein bisschen windig, und heute Abend wollen wir in der Hauptstadt Reykjavik sein und dort 2 Tage verbringen, um anschließend mit einer aus Deutschland zugereisten Partizipantin weitere 3 Wochen (bis jetzt sind’s schon vier) durch Westisland zu radeln.


Wir befinden uns also auf dem Weg nach Reykjavik (wobei vik immer Bucht bedeutet) – noch 10 km – noch 5 – noch 2 – auf einmal wird das Wetter schlechter: ein herzliches Willkommen. Wir fitzen uns zum Zeltplatz durch, wo wir uns neben das Zelt einer Bekanntschaft aus Akureyri platzieren und Grith, eine Dänin, die mit uns auf der Fähre war, wiedertreffen, die uns erzählt, dass sie Arbeit in einem Altenheim gefunden hat (gleich am zweiten Tag ihrer Ankunft) und bis sie ihr erstes Gehalt bekommt auf dem Zeltplatz wohnt. Freudig berichtet sie uns, wie gemütlich es in ihrem Zelt ist – vor allem nach zwei Tagen Regen!


An diesem Wochenende sehen wir uns natürlich in der Stadt um und widmen uns etwas der Fahrradpflege.

Mitten in der Nacht vom Sonntag zum Montag macht sich plötzlich jemand an den Reißverschlüssen unseres Zeltes zu schaffen – es ist Annett, die für die nächsten drei Wochen etwas Abwechslung in unsere traute – oder soll ich sagen triste?! – Zweisamkeit bringen wird. Weil Annett eine so kurze Nacht hatte, beschlossen wir, einen weiteren Tag in Reykjavik zu verweilen. So hatten wir die Gelegenheit zu einem gemütlichen Einkaufsbummel im Kringlan Shopping Centre.


Innerhalb von zwei Tagen schafften wir es dann auf stark befahrenen Straßen nach Borgarnes, wo zu unserer Freude der Zeltplatz kostenlos war und von wo aus wir die Halbinsel Snaefellsnes umrundeten. Auf dieser befindet sich übrigens der Gletscher Snaefellsjökull, den Jules Verne als Ausgangspunkt für seine „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ wählte (das also ist der berühmte Gletscher).


Auf dem Weg nach Borgarnes übernachteten wir auf einem Bauernhof, wir durften uns sogar vom Wasser aus dem Kuhstall bedienen. Zum Abendbrot gab es diesmal Spaghetti Carbonara. Nach dem Essen besuchte uns eine Katze, die ganz verrückt nach dem Soßenpulver war und deswegen sogar in unsere Mülltüte kroch, um noch etwas abzubekommen. Nur kam sie nicht mehr aus dieser Tüte heraus und lief, vor lauter Panik den Kopf hin und her werfend, rückwärts davon. Wir befreiten sie natürlich, aber nicht ohne vorher noch ein Foto zu schießen. Wir tauften sie auf den Namen „Carbonara-Cat“.


Unterwegs auf der Halbinsel hatten wir mal wieder mit heftigem Wind zu kämpfen, doch die in Island so seltenen hellen Sandstrände entschädigten uns ein wenig. Zwischen den Dünen eines solchen Strandes richteten wir auch einmal unser Nachtlager ein und hatten dann natürlich eine knirschende, aber leckere Beilage im Essen...


Am nächsten Tag ging es hinauf zum berühmten Gletscher, eine Piste entlang, die auf den meisten Karten nicht einmal eingetragen ist. Nun kann man sich ja ausmalen, in welch hervorragendem Zustand sich diese „Straße“ befinden muss! Wir mussten zuweilen zu zweit an einem Fahrrad schieben, weil der Weg so steil und der Untergrund so lose war. Dafür machten wir auf dem Beinahe-Gipfel des Gletschers eine wohlverdiente „Brotzeit“, die wir uns so richtig schmecken ließen (hmm, endlich mal wieder das immer gleiche Brot mit der immer gleichen Nusscreme, dem immer gleichen Schinken, dem immer gleichen Käse und der immer gleichen Marmelade – obwohl, hatten wir nicht heute eine neue Geschmacksrichtung?!). Und danach, wieder ordentlich gestärkt, machten wir eine Schneeballschlacht. Ja, Ihr habt richtig gelesen, mitten im Sommer, dem besten, den Island seit langem erlebt hat!


In Olafsvik angekommen, es war Sonntag, hatten wir ein Problem: Der nächste Tag nämlich war Bankfeiertag, an dem die Geschäfte geschlossen bleiben, und wir hatten mal wieder nichts zu essen. Die Tankstelle in diesem Ort konnte uns auch nicht weiterhelfen, außer dass sie uns sagte, 10 km weiter gibt es eine etwas größere Tankstelle, die alles hat, was wir brauchten. Also fuhren wir hin und das Grauen begann:

Wie in Hitchcock´s „Die Vögel“ wurden wir von Hunderten von Vögeln attackiert!

Na gut, wir wurden „scheinattackiert“, die Vögel drehten kurz vorher wieder ab und es waren vielleicht nicht ganz so viele; trotzdem fühlten wir uns wie in besagtem Horrorfilm!

Wir wollten doch nur was zu essen kaufen........!

Im nächsten Ort am Bankfeiertag war der Supermarkt natürlich geöffnet.....!!


Wir fuhren nun entlang der Nordküste von Snaefellsnes wieder ins Landesinnere. An einer aus dem Boden gestampften Raststätte am Rande der Ringstraße, genau an unserem Abzweig, der uns u. a. zu einem wunderschönen Wasserfall führte, machten wir eine Pause. Es war, wie auch die ganze Zeit auf der Halbinsel, wunderschönes Wetter und wir alle drei konnten der Versuchung nicht widerstehen, vom Softeis zu probieren. Solche Leckereien gehörten eher zu den Ausnahmen, denn sie waren nicht gerade die erschwinglichsten. Aber an diesem Tag war es wirklich sehr heiß!


Wir wollten mit Annett auch mal durchs Hochland fahren und suchten uns dafür eine Piste aus, die uns an einem kleinen Gletscher vorbeiführte, der anscheinend für alles zu haben ist – der Gletscher „Ok“. Auf einem Zeltplatz am Fuße dieses Berges legten wir einen Ruhetag ein, den wir sogar für einen Ausflug nutzten und nicht nur zum Essen und Faulenzen! Was wir aber besser hätten tun sollen: Auf dem kurzen Weg zu einer Höhle, den wir ohne Gepäck gefahren sind, erwischte es mein Hinterrad, der erste Platten unserer Tour. Das Flickzeug hatten wir zum Glück dabei und konnten damit die Panne beheben, was sich wohl auch der Touri mit seinem Jeep dachte, der uns nach dem Weg fragte, dem es aber egal zu sein schien, ob mit dem auseinander gebauten Fahrrad alles in Ordnung ist!


Der Gletscher empfing uns mit sehr trübem und kühlem Wetter, was sich auch nicht bis zum prominenten Ziel unserer heutigen Etappe änderte, dem Thingvellir, der Platz, wo das älteste Parlament unserer Erde (Thing) immer tagte. Dieser Ort ist gleichsam geologisch sehr interessant, denn er liegt an der Erdspalte, die durch das Driften der amerikanischen und eurasischen Platten entsteht. In dieser Spalte gingen wir auf einem wilden Pfad, der uns zum Tagungsplatz des Thing führte. Von dort aus wanderten wir einen Umweg zurück zum Zeltplatz, durch das schöne Gelände am nahe gelegenen See, das hier etwas mehr und vor allem auch höhere Vegetation als in den meisten Teilen Islands aufwies.


Noch am selben Tag machten wir uns zu einer kurzen Etappe auf, weiter Richtung Geysir, den wir gegen Mittag des nächsten Tages erreichten. Wir dachten uns, wenn man schon mal in Island ist, dann sollte man auch den Geysir gesehen haben. Also fuhr Jakob mit Annett noch mal dorthin, und auch den nur 10 km entfernten Wasserfall Gullfoss sahen sie sich an, obwohl es nicht auf unserer Route lag. Ich fuhr schonmal zu einer Kreuzung vor (und machte dort ein Nickerchen), von der aus wir zusammen weiter radeln konnten, ohne dass die beiden den gleichen Umweg wieder zurück fahren mussten.


Der Rückenwind, das gute Wetter und unser Übermut am nächsten Tag führten Jakob und mich dazu, ein kleines „Cargo-Race“ zu veranstalten: Mit vollem Gepäck rasten wir die Hügel auf und ab, über 15-20 km, mit einem Durchschnitt von 29 km/h! Endlich ließen wir von unserer krankhaften (ja, das ist wirklich schon krankhaft: selbst wenn wir beide uns nicht gut fühlen und sagen, heute machen wir mal einen „ruhigen“, sitzen wir 2 Minuten später schwitzend in den Sätteln und versuchen, einen neuen Rekord auf unserer Heimstrecke aufzustellen..!) Raserei ab, denn wir fühlten uns schon ein wenig schlecht, weil wir Annett einfach davon gefahren sind, was aber völlig unbegründet war, wie sie uns versicherte.


Am Abend erreichten wir zum zweiten, aber nicht zum letzten Mal, den Zeltplatz in Selfoss. Diese Stadt ist uns richtig lieb geworden: Hier gab es günstigen Internetzugang in der Bibliothek, einen richtig tollen Zeltplatz mitten im Stadtpark und, was am allerwichtigsten war, einen BONUS, sozusagen der Aldi von Nordeuropa. Hier deckten wir uns immer mit Unmengen von Brot, Nudeln und den anderen abwechslungsreichen Lebensmitteln ein, so dass es für eine Woche reichte (das waren dann 10 kg Brot und Nudeln!). In der Bibo führten wir Schriftverkehr mit zu Hause, Freunden und einigen anderen Islandberadlern. Oder wir schauten bei Globetrotter (einem Ausrüstungsversandhaus in Deutschland) nach den neuesten preisreduzierten Angeboten, was dann schon mal dazu führen kann, dass sich Jakob eine günstige Outdoorjacke nach Hause bestellt!!


Wir machten also einen Ruhetag in dieser tollen Stadt und es war zugleich der letzte Tag, den wir zu dritt verbrachten. Annett´s Flieger ging in 4 Tagen und das war genügend Zeit, um gemütlich zurück zum Flughafen zu fahren.

Wir allerdings hatten noch zwei Wochen und beschlossen, in eine Sackgasse zwischen Gletschern zu fahren, deren Ende eine der grandiosesten Landschaften Islands birgt. Danach wieder nach Selfoss, auftanken, und auf dem Weg zum Flughafen ein Abstecher auf die Westmännerinseln, die berühmt sind für die großen Kolonien von Papageientauchern und wo ein berühmter Schauspieler, der berühmteste seiner Gattung, in einer Bucht gleich am Hafen der Inselhauptstadt lebt (dazu gleich mehr).


Doch zuvor hieß es Abschied nehmen. Gemeinsam fuhren wir noch zur Hauptstraße des Ortes, die uns zu unseren unterschiedlichen Zielen bringen sollte. Wir sagten auf Wiedersehen, aber keiner von uns fuhr los. Wir sagten noch einmal auf Wiedersehen und noch mal und es war ein komisches Gefühl, einfach so, ohne Annett, in eine andere Richtung davonfahren zu müssen. Irgendwann an diesem Tag schafften wir es dann doch und wir hetzten noch bis zum Seljalandsfoss, ein Wasserfall, hinter dem man entlanggehen kann. Ihm zu Füßen machten wir Abendbrot, neben einer deutschen Familie mit zwei Kindern (so um die 10 Jahre), die auch gerade Essen kochten. Mit ihnen hatten wir noch ein nettes Gespräch, und sie erzählten uns u. a., dass es gar nicht so anstrengend ist, mit so jungen Kindern zu verreisen. Sie fuhren mit einem Jeep mit „Schlafaufsatz“, so dass auch alle darin Platz hatten zum Schlafen.


„Die Straße in das Thorsmörk ist sehr wasserreich. … Bauchnabeltiefes Wasser ist bei einigen Furten auch im Hochsommer keine Seltenheit. … Für die unverbesserlichen folgende Beschreibung des wasserreichen Weges:

Es sind mindestens 17 Flüsse zu furten. Einige davon werden Sie sicherlich nach dem Furten unter die Kategorie harmlos einordnen. Wenn Sie Glück mit dem Wetter haben und über die Piste auch recht früh am Tage radeln, ist es bei einigen Furten sogar möglich, diese zu durchfahren. Aber ich möchte keine falschen Hoffnungen wecken: bei km 15 ist die Sauda auf alle Fälle nicht befahrbar. Wenn Sie mit diesem Fluß Probleme haben sollten, denken Sie noch mal darüber nach, ob Sie nicht doch lieber den Bus anhalten sollten.“ ...    aus "Island per Rad" von Ulf Hoffmann


Wir wollten es wissen! Nach 5km guter Piste ging es los: Auf so schlechten Straßen sind wir in der ganzen Zeit hier oben nicht gefahren. Grober Schotter, bis faustgroß, bildete den Untergrund und es war wirklich eine nervenaufreibende Fahrt. Die ganze Zeit mussten wir uns auf den Weg konzentrieren, denn die Fahrbahn war so lose, dass wir manchmal den Fuß zu Hilfe nehmen mussten, um nicht hinzufallen. Hinzu kamen natürlich die unzähligen Furten – wir fuhren barfuss in Sandalen, um nicht 15 Mal die Schuhe wechseln zu müssen; abends waren meine Füße ganz blau und lila (lielah Blaulicht.. ).


Die meisten Furten waren wirklich nicht tief, wir konnten mühelos die Fahrräder hindurchschieben. Doch galt es, drei Gletscherflüsse zu überwinden. Der erste gleich war so tief, dass wir uns wahrscheinlich die Weichteile verkühlt hätten. Glücklicherweise gab es über diesen eine Brücke, was das Überqueren aber auch nicht gerade leichter machte. Die Auf- und Abgänge waren so steil und schmal, dass man nicht einfach die Fahrräder mitsamt dem Gepäck hinübertragen konnte. Nein, wir mussten Alles abbauen und, manches zu zweit, tragen und dann natürlich wieder aufladen. Der nächste Gletscherfluss ließ nicht lang auf sich warten. Wir wateten wieder hinein, um zu sehen, wie tief er ist. Reißend waren sie sowieso alle. Wir tauchten bis über die Knie in das eiskalte Wasser. Hier werden wir schon durchkommen. Jakob ging als erster. Die Gepäcktaschen waren vielleicht gerade mal 5 cm unter Wasser, trotzdem bekam er die Strömung zu spüren. Deswegen sah er sich veranlasst, noch mal zurückzukommen und mir lieber zu helfen. Ich hatte ja einen Anhänger am Fahrrad, und der würde auf alle Fälle untertauchen. Also ging Jakob hinter mir her, um den Anhänger zu sichern. Das war sie also, unsere erste Furt durch einen dreckig grauen, eiskalten, reißenden (Klimax!) Gletscherfluss!


Jakob´s Hinterrad hatte einen Schleicher, der sehr langsam Luft entweichen ließ, und vor dem dritten und letzten großen Fluss wollte er den Schaden beheben, während ich mich schon mal an die Furtung machte. Da Jakob den Anhänger beim ersten Mal gesichert hatte und ich so die Wirkung der Strömung nicht mitbekommen hatte, dachte ich mir, so schlimm kann´s schon nicht sein. Dieser Fluss war etwas breiter und genauso tief wie der andere. Ich durchquerte den Fluss senkrecht zur Strömung (sehr schlau) und ungefähr in der Mitte wurde meine Naivität bestraft. Das Fahrrad befand sich rechts von mir, wo auch die Strömung herkam (so wie es eigentlich nicht sein sollte), die jetzt den Anhänger herum riss. Mit aller Kraft versuchte ich dagegen anzuhalten, aber es gelang mir nicht. Der Anhänger drehte sich um 45° und ich wollte nur noch ans andere Ufer. Zum Glück war das Fahrrad zu meiner Rechten und ich konnte mich gegen die Strömung stemmen, ansonsten wär es mir mit Sicherheit einfach aus der Hand gerissen worden. Jetzt, da ich nicht mehr senkrecht zur Strömung stand und schon am nicht ganz so reißenden anderen Ufer war, ließ es sich auch viel leichter schieben. Jakob kam schon in voller Panik angerannt, um mir zur Hand zu gehen, was muss er für einen Schreck bekommen haben! Wenigstens konnte ich ihm jetzt raten, nicht gerade im rechten Winkel zur Strömung durch die Furt zu gehen. Etwas später sagte Jakob, dass ich wieder, wie beim Wischtuchbrand am Myvatn, irgendwie seelenruhig da gestanden haben muss, als wenn nichts wär. Noch 1 km und wir waren auf dem Zeltplatz Thorsmörk im Godaland (Land der Götter), wie es wirklich zu Recht heißt:

Im Tal fließt ein Gletscherstrom mit vielen Armen, hier wachsen Bäume, so hoch wie wir sie nirgends sonst in Island gesehen haben. Auf der einen Seite wird das Tal von großen Gletschern begrenzt, auf der anderen von leicht bewachsenen Bergen aus farbigem Lavagestein.


Laut unserer Karte gab es genügend Brücken über die vielen Flussarme und so beschlossen wir, am nächsten Tag eine Wanderung zu machen. Brücken gab es zwar, doch für uns unerreichbar. So ließen wir uns von einem Jeep mitnehmen. Und der hatte ganz schön zu tun, durch die Fluten zu kommen. Wir wanderten also etliche Stunden auf der anderen Seite des Flusses, aber es war kein Jeep da, der uns wieder zurückbringen konnte. Über den Hauptarm gab es eine Brücke: ein Rohr mit ein paar Brettern drauf und Geländer nur auf einer Seite. Dann kamen ein paar seichte, kleinere Arme, die man mühelos überspringen konnte, aber zum Schluss war da noch einer, der knietief und einige Meter breit war. Als ob wir nicht schon genug durchnässt waren vom ständigen Nieselregen, blieb uns nichts anderes übrig, als in unseren Schuhen durchzuwaten, denn ohne Schuhe hätten wir uns die Füße verletzt. Und ohne Fahrrad fühlt man sich viel unsicherer, denn man hat nichts, worauf man sich stützen könnte.


Seit unserer ersten Nacht in Thorsmörk hat es unaufhörlich geregnet, auch am zweiten Tag ging es so weiter. Bei diesem Wetter hatte keiner von uns Lust zu irgendetwas und so verbrachten wir den ganzen Tag im Zelt. Zum Glück stand es in einer Ecke zwischen niedrigen Bäumen, denn zu dem Regen kam heftiger Sturm hinzu und wir wurden trotz unserer windgeschützten Lage ganz schön durchgerüttelt. Der dritte Tag hier war nicht mehr so schlimm und wir mussten ja auch weiter. Alle Flüsse waren angeschwollen, Straßenabschnitte standen unter Wasser und den dritten Gletscherfluss, den wir diesmal logischerweise zuerst überqueren mussten, erkannten wir gar nicht wieder: sein Lauf war völlig verändert! Etwas näher an der Mündung in den großen, zerklüfteten Strom wurde er breiter und damit flacher und wir konnten ihn eigentlich ziemlich leicht überqueren, nur dass ich, als ich zurückging, um Jakob zu helfen, eine Sandale verlor. Ich stand mitten im Fluss und Jakob musste mir eine von seinen (eigentlich waren ja beide Paare ihm) herüber werfen und es konnte weitergehen. Nur Ärger hat man mit diesem Kerl, muss er sich gedacht haben! Wir trauten uns nicht, den mittleren der Gletscherflüsse zu durchqueren und so mussten wir zur Brücke, durch unwegsames Gelände, wo es nicht einmal einen Pfad gab. Das waren dann zwei von diesen verfluchten Brücken. Trotzdem kamen wir insgesamt schneller voran, als auf dem Hinweg und schafften nicht nur 30 km, sondern mehr als das Doppelte. Das also war der Abenteuerteil unserer Reise!


Wir waren wieder in Selfoss, der geliebten Stadt, und legten einen weiteren Ruhetag ein.

Mit über 10 kg mehr an neuem Essen ging es dann auf zur letzten großen Etappe.


Es waren nur 34 km bis zum Fährhafen, von wo aus wir, noch am Abend desselben Tages, zur Hauptinsel Heimaey der Westmännerinseln übersetzten. Schon der leichte Seegang reichte aus, dass uns übel wurde. Zum Glück fanden wir Sofas, auf denen wir schlafen konnten und uns so nicht von unserem Mageninhalt trennen mussten. Irgendwann spät abends kamen wir an, suchten und fanden den Zeltplatz und bauten unser „Lager“ auf. Insgesamt drei Nächte blieben wir hier und das Wetter war mal wieder auf unserer Seite (natürlich auch an den Tagen). Die Insel ist nicht sehr groß, gerade mal 2-3 km breit und 7-8 km lang und doch gibt es einiges über sie zu erzählen:

Der Zeltplatz des Ortes, der ca. 1/3 der Insel einnimmt (also der Ort jetzt, nicht der Zeltplatz), lag inmitten des nur noch halbrunden Kegels eines (hoffentlich) erloschenen Vulkans; man musste sich einen einigermaßen geeigneten Platz aussuchen zwischen lauter herumliegenden Felsbrocken. Das sah dann auch ziemlich putzig aus, die ganzen verschiedenfarbigen Kuppeln der Zelte zwischen den grau-grünen Felsbrocken.

Es gibt allerdings auch noch einen aktiven Vulkan hier, der das letzte Mal 1973 ausgebrochen ist und dabei 1/3 der Stadt unter sich begrub. Aber, jede Medaille hat zwei Seiten: durch die Lava, die in Hafennähe ins Meer floss, wurde das Land so erweitert, dass es jetzt einen natürlichen Schutz für den Hafen darstellt. Wenn man sich nun auf den Boden dieses Vulkans setzt, braucht man sich nicht zu sorgen, sich seinen Allerwertesten zu unterkühlen, das Gestein ist noch ganz warm. Diese Wärme haben sich die Inselbewohner auch zunutze gemacht und damit die Stadt beheizt, zumindest anfänglich, jetzt reichen die Temperaturen nur noch, um sich den Hintern anzuwärmen.

Durch einen unterseeischen Vulkanausbruch in der Nähe von Heimaey ist 1963 die Insel Surtsey entstanden, die nur von Forschern betreten werden darf, die dort die Evolution, das Entstehen von Leben erforschen wollen.

Und noch einen ganz Berühmten gibt es hier zu sehen: Hier lebt der Killerwal, oder Orka, „Keiko“, bekannt aus den unzähligen Folgen von Free Willy. Ein ganzes Museum gibt es über ihn, sogar mit Kino und Live-Kamera. Denn Keiko stammt aus Island und ist jetzt wieder hierher gebracht worden, um ausgewildert zu werden. Er lebt in einer Bucht, gleich beim Hafen, und bei der Fütterung kann man ihn auf dem Bildschirm beobachten. Er wird dann meistens dazu animiert, ein paar Kunststückchen vorzuführen. Wir wanderten während einer Fütterung genau gegenüber der Bucht ein bisschen umher, und konnten ihm so richtig live bei seinen Kunststückchen zusehen; es gab sogar extra ein fest installiertes Fernrohr.


Wir machten in diesen Tagen einen Ausflug zum Vulkan und schlenderten ein bisschen durch das kleine Städtchen. Außerdem fuhren wir an der Küste entlang auf steilen Klippen zur Südspitze der Insel, wobei wir viele Papageientaucher sahen und tatsächlich eine alte, verrostete Autokarosserie, die in der Wand einer Klippe steckte, entdeckten (na ja, andere Länder, andere Sitten)!


Gegen Mittag des dritten Tages ging es dann wieder zurück aufs „Festland“ und immer mehr dem Ende unserer Reise entgegen weiter bis zu der wohl bekanntesten Kirche der Isländer. Sie wurde gebaut, weil Seemänner in Not zu Gott geschworen haben, sie würden ihm eine Kirche bauen, wenn er sie nur heil an Land kommen lässt. So geschah es, und diese Kirche wurde immer reich beschenkt, aufgrund ihrer Bedeutung. Gleich in ihrer Nähe gab es einen gemütlichen Zeltplatz, auf dem wir übernachteten. Die nächste Nacht auf einem Zeltplatz, der schon längst geschlossen war, denn die Hauptsaison war vorbei, und doch trafen wir dort zwei Radler, die gerade erst zu ihrer Islandtour aufgebrochen waren. Dann noch eine Nacht auf einem Zeltplatz, der grundsätzlich kostenlos ist. Von dort machten wir einen Ausflug in die Blaue Lagune. Das ist ein natürliches Becken, das von dem heißen Abwasser eines Geothermalkraftwerkes gespossen () wird. Der Mineralschlamm, der in diesem Wasser rumschwimmt, soll heilende Kräfte für die menschliche Haut besitzen, und so gibt es auch eine ganze Produktlinie dieser Mineralsalze.


Jakob war schon einmal vor 3 Jahren in Island und auch damals schon in der Blauen Lagune. Er hat sie fast nicht wieder erkannt. Bei seinem letzten Besuch konnte man fast überall in den natürlichen Lavabecken umherschwimmen, heute ist ein großer Teil davon abgetrennt, und es wurde ein „ordentliches“ Becken angelegt; außerdem wurde die gemütliche Baracke, in der man sich umgezogen hat, abgerissen und dafür eine riesige Halle gebaut, wie man sie bei uns von Spaßbädern her kennt, mit Restaurant, Souvenirshop und der neuesten Technik, was den Spintgebrauch und so betrifft. Tja, auch in diesem unberührten Land hält der Massentourismus Einzug. Amerikanische Fluglinien bieten sogar Flüge an, mit Zwischenstopp in Island und Ausflug zur Blauen Lagune.

Unsere Muskeln waren so müde vom heißen Bad, dass wir es kaum die 5 kmchen zurück zum Zeltplatz schafften. Es gab also auch Urlaub in diesem Urlaub.


Am 29. August erreichten wir Keflavik, wo sich der Flughafen befindet. Auf dem hiesigen Zeltplatz im Aufenthaltsraum gibt es ein riesiges Lager, voller Benzinflaschen, Gaskartuschen und Unmengen an Essbarem. Benzin und Gas darf man ja im Flugzeug nicht mitnehmen, also werden alle Reste hier gelassen und diejenigen, die ihre Reise hier starten, können sich bedienen. Wir hatten also genügend Essen für den letzten Tag vor unserer Heimreise.


Ich war ja noch nie geflogen und muss mit meiner Angst davor mal wieder dem Jakob ordentlich auf den Keks gegangen sein. Doch wie heißt es so schön: „… nur Fliegen ist schöner!“ und so war es auch.


In Frankfurt warteten noch zwei Überraschungen auf uns, eine schlechte und eine gute. Zuerst die schlechte:

Ein Rucksack fehlte von unserem Gepäck. Er selbst war schon alt und zerschlissen, doch in ihm befand sich unser Zelt. Wie sich glücklicherweise herausstellte, wurde er in Island vergessen und uns ein paar Tage später hinterher gesandt.

Und jetzt die gute Nachricht: Wenige Minuten, bevor unser Zug vom Flughafen zum Bahnhof losfuhr, trafen wir Jule und Mischer, die gerade von ihrem Westkanada-Urlaub zurückkamen. Ganz so zufällig war das Alles nicht, wir hatten uns sozusagen verabredet, aber das Flugzeug hat sich verspätet und wir hatten schon Angst, dass sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen würden. Wir hatten denselben Heimweg, sie wohnen in Ronneburg, und so fuhren wir, aufgeregt schwatzend, denn wir hatten uns wirklich viel zu berichten, bis nach Weimar, wo uns mein Vater mit dem Auto abholte; übrigens hat er auch schon Jakob und mich nach Fulda gebracht, von wo uns ein Nachtzug näher Richtung Island brachte. Danke nochmal! Als erstes musste er uns selbstverständlich zum Dönermann #1 in Gera bringen, denn wir hatten seit 4 bzw. 9 Wochen schon an Entzugserscheinungen zu leiden!

↑ nach oben ↑